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Proofreading is not yet done. + +## Page 01 + +``` +- Wenn eine Stadt um Autos und Motoren gebaut wird, danmn +werden den Leuten, die in der Stadt leben, die Beine +abgeschnitten, Und die Produktion von Verkehraswegen schaf£ft +IDißtanzcn, die weit größer sind, als die für die meisten +durch die Motoren überbrlückt werdén können, Wenn eine Welit +sich um die Medizin herum kristallisiert und Gesundheit + +"Medizinkonsum ist, dann wird die Gesunderhaltung unmöglich +l‘ . l +gemacht. ! + +I M NAMEN D ES FORTSCHRITTS + +H + +E e P al A E E D d D e E a B n P A f a Mn J a d Ba n r n + +Ivan Illichs Kritik an der Industriegesellachi: + +Ein Bericht von Gordian Troeller +und + +Claude Deffarge + +Der technische Fortschritt, der das goldeno Zeitalter +versprach, ist zum Alptraum geworden, Er verpulvert dioe +sich unaufhaltsam orschöpfenden Schätze unserer Erde + +Er frißt die Natur auf, Er bedroht die Geéundhnit dar +Menschen, die körperliche und die seelische,. + +Er schafft wirksame Werkzeuge des Todes, kann aber nicht +verhindern, daß jährlich mehrere Millionen Menschen iungera + +sterben müssehn, ıınd es immer mehr werden, ' + +Der sogenannte Fortschritt - die induotrielle Produk L ions- + +weise - verspricht nur noch sich selbst eine blühende Zukun? +``` + +## Page 02 + +``` +Schuld daran ist nur der Kapitalismus - sagen die +Kommunisten - und huldigen im gleichen Atemzug demselben + +‘ Fortschritt, in der Hoffnung eines Tages dank scinér +Perfektion siegen zu &können, . , ; ; + +Der Westen macht große Anstrengungen, um geinen technischen + +° Vorsprung zu halten,. + +Hüben wie drüben gedeihen gewaltige Machtapparate, die +diesen Fortschritt verwalten, ihn vorantreiben und letztLic +bis aufs Messer verteidigen müssen, um selbst bestehen zu +können. n + +Die Menschen werden süchtig gemachti nach ihrenDienst- +leistungen, ihren Waren und Werten. + +Die Zukunft der Menschheit sieht düstef aus. Darüber sind +sich £aét alle einig. - Aber was wird getan? . + +Die Einen versuchen, das Bevorstehende zu erforschen, um +die Menschen darauf vorzubereiten,. + +Andere bemühen sich, das scheinbar Unabwendbare aufzuhalten +jindem sgie die Ursachen bewußt machen, Zu diesen gehört die +Gruppe um Iban Illich und Valentine Borremans. + +Diese Gruppe hat sich 1960 in Cuernavaca - in Mexiko - +gebildet. + +Ivan Illich, ein gebärtiger Wiener, studierte Geschichte, +Philosophie und Theologiee; * Er wurde Priester und milt +3O Jahren Vize-Rektor der Universität von Puerto Rico, +ISpäter war er Seelsorgor'in den 5Slums von New—Yor&, +.Schließlich richtete er in Cuernavaca eine spaéische +Sprachschulei;für Missionare ein, die nach Lateinamerika , + +gehen wollten. Hier versuchte er sie von ihrem Hissionseif: + +zu heilen« +``` + +## Page 03 + +``` +Damals galt er neben Camillo Torres und Don Helder Camara +als der revolutionärste Priester Lateinamerikas. fiittlorwei +‚ halten ihn viele für den radikals?cn Gesellschaftskritiker +seit Karl Marx. @ 5 +Valentine Borremans, eine Belgierin, hatte in vielen Länder: +„jSüdamerikas gearbeitet, bevor sie nach Cuernavaca kam, Dort +ühertrug Illich ihr die Aufgabe, eine Bibliothek einzuricht +Sie machte daraus das "Zentrum interkultureller Dokumoentati, +- das CIDOC, +Im CIDOC würdefl die zur Entwicklung der Gesellschaft uner- +läßlich geltenden Institutionen:wie Schule, Medizin, Verkeh +und Industrie untersucht, Dabei fand man heraus, dass diese +zunächst nützlichen Einrichtungen durch ihre Eigengesetzlic: +keit und den Machtanspruch ;hrer Vertreter zum Feind_den +Menschen werden können. / +Illich und gseine Freunde weisen nach, daß dies + +in den Industrienationen bereits “eschehen ist.‘ +und sie warnen vor der totalen Entmündigung des Menschen +durch den totalen Apparat des Industriesystens. +Lange bevor Entwicklungshilfe allgemein in Frage gestellt + +wurde, kritisierte Illich die Funktion der Entwicklungshelf + +- "Ja, vor 15 Jahren gchien es mir absolut notwendig, den +Freiwilligen als solchen in Frage zvu stellen, - denn da +sandten plötzlich Kenned? und Castro, Johannes XXLILI und + +de Gaulle - Freiwillige, bewaffnet mit Bleistift, Injektion +sgpritze oder Revolver nach Lateinamerika, um es zu retten. +Und da kam es darauf an, die Motivationen - nein, nicht dio +Motivationen, nicht die Intentionen dieser Freiwilligen in +Frage zu stellen, sondern den Freiwilligen als Eolchen + +in Frage zu stelleny-wenn er von ‚irgendeiner Institution + +angestellt und ausgesandt wara'' +``` + +## Page 04 + +``` +-"Heißt das, er ist mißbraucht worden?" + +-"Nein, ich spreche nicht über den Mißbrauch des Freiwillir +sondern über die Tatsache, daß man den Freiwilligen für +Institutionen nicht verwenden kann, ohne notwendiger Weise +C +einen Köder für einen neuen Entwicklungsimperialigmus aus +ihm zu machen., - In soziologischer Sicht ist der Freiwilli{ +notwendiger Weise eine Weiterführung des europäischen +Dünkels - der Mission, Und in psychologischer Sicht ist +Entwicklungswut eine unheilbare Krankheit," +In der Entwicklungshilfe sieht Ivan Illich eine neue Form +von Kolonialismus, Früher schickte man Soldaten,heute +Techniker, die die Völker der Dritten Welt zwar friedliche’ + +aber auch fester in den Dienst der Industrienationen zwing + +als Kanonenboote und Sklavenjäger es vermochten. + +Für Illich ist jede Art von Entwicklungshilfe - auch die +sogenannte kulturelle, geistige oder zivilisatorische - +ein Köder., - Ein Köder, der süchtig machen 5oll nach + +unseren Erzeugnissen und Institutionen. + +Die moderne Technik schlägt die Regierungen der Dritten Wc +in ihren Bann. Illich warnt sie davor, sich durch induétri +Gewohnheiten derart verbilden zu lassen, daß sie Fortschr5 +nur noch als Industäialisierung und Konsumanstieg versteh: +Er sagt: die Mechanisierung der gesellschaftlichen Bezicht +die der sogenannte industrielle Fortschritt mitsichbringt, +führt zur Zerrüttung des Menschen. Illich sagt weiter: + +2/3 der Menschheit können die Auswüchse der Industriecgese:! +gchaft noch vermeiden. Nämlich, indem Bie eine dem Mensch‘ +gerechtere Prodfififiionsweise wöhlen —- eifle Produktionsweis: + +zu der auch die Industrienatiorsen hinfinden mügatene +``` + +## Page 05 + +``` +Die Länder der Dritten Welt köännen sich nur retten, meint + +Illich, wenn sie sich wirtschaftlich und politisch von den + +reichen Nationen lossagen. + +So fremd das alles klingt, Illichs Warnrufe finden durchau: +4 + +/ + +schon Gehör,. + +-"Ja Gott sei Dank schämen sich heute Leute nicht nur, wen) +sie sich als Entwicklungshelfer ausgeben. müssen, als +Missionare, als Freiwillige = weil man begonnen hat, über +ihren Dünkel zu Llachen, den Dünkel der Funktion, nicht des +bösen Menschen, - Heute schämen sich Leute langsam, wenn & +sich als Ärzte, als Lehrer, als Entwicklungstechniker, als +Ingenieure für Straßenbau ausgeben müssen, denn die Besten +in jedem von diesen Berufen verstehen schon, daß gsie weit +mehr Schaden anfügen für die große Masse der Menschen, als + +gie Gutes tun," + +-VlAber die Regierungen der Dritten Welt sind ebenso + +entwicklungswütig wie die Freiwilligen," + +—- Jay Entwicklungswut ist nicht nur eine unheilbare Krank- +heit, sie ist auch eine ansteckende Krankheit, Sie<firassio +im Treibhaus der Bürokratie, Da sind die Stellen, wio das +Hudson-Institut, oder das Max-Plank-Institut, wo die +Gegenwart in die Zukunft gedankenlos hineinprojiziert wird +wo eine bessere Zukunft von Verwaltern und Aufpassern +produziert wird., - Ganz im Gegenteil dazu stehen eben jene +kleinen Welten der Freiheit, wo Autonomie sprießt und wo +das Kommende, das ja schon da ist, heute im Modell gelebt +wird., Zeugenschaft für seine Mäglichkeit gegeben wird, + +Ich hoffe, daß viele'von uns das hier haben leben können,." + +Jene kleine Welt der Freiheit wurde 1960 in Cuernvaca +angesiedelt = in Mexiko. Geographisch eine ideale)?wischen +station, um Nordamerikanische Missionare und F;eiwillige +abzufangen, die nach Lateinamerika geschickt wurden, + +Sie kamen hierher, um in Schne})llkursen Spanisch zu lernen, + +Auch über die Menschen und die Gesßellschaft, die aie +``` + +## Page 06 + +``` +betreuen sollten, wurden 5sie aufgeklärt, So entdeckten sie +daß sie nicht nur ausgesandt waren, um das Wort Gottes zu +verkünden oder Armen zu helfen, sondern gleichzeätig als +Sendboten und Verkünder der Industriegesellschaft,. + +Im Laufe der Zeit wjrde hier so etwas wie eine mittelalter +liche Universität wiedererfunden, Eine Stätte der Nachdenk +und des Gedankenaustausches, wo Lehren nicht mehr galt als +Lernen. ! + +Lehrer und Studenten zahlten die gleichen Beiträge: 250 +Hark}%ä%g 3fi5@fiää“%%äflääib 25 Mark pro Woche, wenn 5ie an +Kursen und Seminaren teilnahmen, Teilnehmer aus der Dritite +Welt brauchtennichts zu zahlén. + +Ganz nebenbei, aus Tischgesprächen, entstand die Organisat +nordamerikanischer Akademiker zum Studium der multinationz2 +Konzerne. Auch die Bewegung der lateinamerikanischen Prie +die für den Sozialismus kämpfen, wurde hier géboren. +Insgesamt haben rund 20 000 Menschen jeden Alters und +aller Gesellschaftsschichten im CIDOC an Diskussionen und +Seminaren teilgenommen, / + +Hauptthema:_def gängige Fortschrittsbegriff., Die Unter- +guchungen des CIDOC machten deutlich, wie ständiges Wuchsc +von Produktion, Konsum, Gewinn, Zeitersparnis und Dienst- +leistungen die Quqflität des Lebens verringern. + +In diesem weißen Haus in Cuernavaca haben viele gelernt, +das angeblich Selbstverständliche über Bord zu werfen - +alle Lehrsätze und Institutionen in Frage zu stelken; die +unsere Gesellschaft prägen und zä heiligen Kühen géworden +sind. - Hier wurde mit dem Vorurteil aflfgorüufit, daß der +Industrialismus allen früheren Kulturen überlegen und für + +den Fortaschritt der Menschheit unentbehrlich sei. +``` + +## Page 07 + +``` +Damit wurde auch der Weg in die Zukunft in Frage gestellt, +den die reichen Industrieländer schon eingeschlagen haben,. + +Statt dessen vertrat man hier einen radikalen Humanismus, + +Mit einfachen Mittelh veröffentlichte das CIDOC jährlich +rund': 350 Bücher —- mehr als die éeisten kommerziellen +Verlage in der gleichen Zeit au{ den Markt bringen,. + +Man gscheute sich nicht, unvollständige Entwürfe in Umlauf +zu bringen. Dank der Kritik und der Beiträge anderer, +konnte so nach 2 bis 3 Zwischenveröffentlichungen ein Buch +daraus werden. + +Valentine Borremans, die eigentliche Schlüsselfigur des +CIDOC hat dies und vieles andere oft gegen den Willen + +Ivan Illichs durchgesetzt, + +- "Könnte ich hier auch eiflen Kurs geben?" + +- Natürlich, jeder kann hier Kurse geben," + +- "Unter der Bedingung, daß sich genügend Teilnehmer Tinde) +- WSie stellen ein Kursthema vor. Wenn Sie es schlecht vor- +stellen, oder das Thema nicht interessiert, wird niemand +kommen, und der Kurs findet nicht statt, Wenn Sie aberl +Interessenten finden, wird der Kurs abgehelten,." + +Um einen Kurs zu geben oder daran teilzunehmen, braucht +niemand ein Zeugnis Jorzulegen oder seine Qualifikation zu +beweisen, Gerade die etablierte Wisseä£ierarchie wurde im +Cidoc als lähmend angeprangert. Wenn jemand über Blumen, + +Landreform oder indianische Kultur sprechen wollte,, brauch‘ +er nur geine Einschreibegebühr bezahlt. zu haben und 5 + +Interessenten zu finden, um einen Raum zu bekonmen. Als + +Preis für den Kurs setzte er 100 :oder 200 Vollar-an, +``` + +## Page 08 + +``` +und wenn viele kamen, brauchte jeder nur wenig zu zahlen, +Hier spricht ein Nordamerikaner über Ifiperi£ismus. Selbat +wenn er Illichs Thesen bekämpfen sollte, kann er fortfahren +‘ solange die vorgeschriebene Anzahl. von Teilnehmern das + +Interesse an seinen Ausführungen bescheinigt, / + +- IWelches war das erste Ziel des CIDOC?" + +-NAnfänglich wollten wir Nordamerikaner@ und Europäern kla? +machen, daß die Probleme Lateinamerikas nicht gelöst werde) +können, indem man Fremde dorthin schickt, sondern daß die +Südamerikaner ihre Probleme allein lösenmlüissen, - Danach +haben wir begonnen, die Schule zu analysieren. Ich glaube, +daß es dem CIDOC zu verdanken ist, wenn kmukgx die Schule +heute überall in Frage gestellt wird., Vor zehn Jahren noch +glaubte man in den Ländern der Dritten Welt, daß es not- +wendig sei, Lehrer dorthin zu schicken und Schulen Zu baue +Für die Leute im CIDOC hatten Analyse und Kritik der Schu)l +gicherlich das größte Gewicht, Sie hat gezeigt, das es +genügt, eine Institution zu beschreiben, um augenscheinlic +zu machen, welches Unrecht sie anrichten kann, obwoh). doch + +jeder glaubt, daß sie nur Gutes bringt.," + +Erklärtes Ziel der Schule ist es, jedem die gleichen Chanc +zu persönlicher und gesellschaftlicher Entfaltung zu geben +Sie soll soziale Ungleichheit abbauen und mündige Staats- +bürger formen., - Ein‘großherziges Unternehmen, das die + +Unterstützung aller Bürger, der armen wie der reichen + +verdient, + +So ist denn auch das Erziehungssystem eine Dienstlecistung, +die von den Steuurn aller getragen wird. + +Aber was beschert sie ihnen? +``` + +## Page 09 + +``` +Es wird verfahren; als sei der Mensch nur ein leeres +Gefäß, in das bestimmte vorprogrammierte Inhalte ein- +gefüttert werden müssen, um ein brauchbares Mitglied + +der Gesellschaft aus ihm zu machen, + +Die Kinder des Bürgerstandes - die bereits Priviligierten +haben es leichter, bringen es weiter und profitieren +längér vom Erziehungssystem, + +Der teure Bildungsweg - den alle bezahlen —- dient +hauptsächlich den Kindern der oberen Gesellschafts- + +} +schichten. + +Schulerfolg und Schulversagen entsprechen weitgehend + +der gozialen Herkunft der Schüler, l / +Die Schule vertritt, daß ein Mensch sich nur erfolgreich +um Dinge kümmern kann, für die er ausgebildot und quali- +fiziert worden ist, - Damit disqualifiziert sie eigen- + +ständiges Lernen, Arbeiten und Leben,. + +Und da die Schule gleichzeitig vermittelt, daß man nur +ist, was man gelernt hat und mit Zeugnissen belegen kann, +führt sie letztlich zu verstärkter Ungleichheit, + +Sie dient der Reproduktion der Klassengesellschaft und +der Festipgung bestehender Nerrschaftsverhältnisse,. +Erzichung macht den Menschen, heißt es. Wissen ist Macht +Ausbildung ist Kapital, - Die Benachfoiligteh, die auf +der Strecke bieiben, gelten »68 minderwertig - für Aandeı + +aber auch vor siqh 8elbst —- und aie ordnen sich ein,. . +``` + +## Page 10 + +``` +Und das nicht nur in Afrika,. + +Illäch sagt: "Beschulung ist ein Ausleseprozeß, durch + +den Bürger in immer größere Unmündigkeit und Entfremdung + +befördert werden,#ein Trick, um die Einwohner jeden + +4 + +Staates auf 16 oder s@gar 20 verschiedenen Stufen einer + +Leistungspyramide anzusiedeln", + +- Eine wichtige Erfahrung war für mich die Zusammearbei +mit den Mexikanern., - Der Bibliothakar zum Beispiel +hat seine Arbeit hier bei uns gelernt, indem er sie +machte, Das gleiche gilt-für d&m Herausgeber unserer +Bücher., Alle, die hier gearbeitet haben, haben ihre +Kenhtnisse bei der Arbeit erworben, Und die Mehrzahl +dieser jungen Mexikaner hat die Bekundarschule nicht + +beendet — einige nicht einmal die Grundschule," + +- "Und was haben Sie selbst hier gelernt?" + +- "Was ich hier alles gelernt habe! +Meine gesamte Arbeit, Das hat in der Bibliothek ange- +fangen. Als man sie mir übertrug, sagte ich: aber +ich weiß doch nicht, wie das gemacht wird. Und man h: +mir geantwortet: dann lernst du es eben, Und ich habı +gelernt, eine Bibliothek zu verwalten., Dann habe ich +sie abgegeben, So bin ich durch alle Abteilungen des +CIDOC gewandert - und andere haben jedesmal meine +Arbeit übernonmmen, - So habe ich gelernt, üanuX das + +CIDOC zu verwalten," + +Daß jeder selbstständig lernen kann und keiner Fach- +Schule bedarf, um einen Beruf auszuübenr, haben +Ivan Illich und Valentine Borremans im CIDOC unter +Beweis gestellt, Sechzig ßBeste Mitarbeiter haben 50 + +einen Beruf erlernt und ” _ brauchen jetzt = + +da das CIDOC schließt — um ihre Zukunft nicht zu + +bangen- +``` + +## Page 11 + +``` +Die Schließung wurde von allen beschlossen, Eine Gebühren: +erhöhung stand zu Diskussion. Sie hätte das nötige Geld +geh racht, um das CIDOC am Leben zu halten, aber sie +wurde verworfen. D%£ "xleine freie Welt" sollte Picht + +zum Reservat der Elite werden, Schon viel zu viele +Politiker und Industrielle drängelten sich hier in den +letzten Jahren, viele nur, um sich ein moralisches Alibi +zu verschaffen., Einige waren bereit, das CIDOC zu finanzi, +- aber das hätte zum Verlust seiner Unabhängigkeit + +geführt und so der Institution ihren Sinn genommen, + +- "Ja, schen Sie, es ist uns 15 Jahre lang gelungen, die +akademischen Epauletten zum Grund des 1liebenswürdigen +Lächeln zu machen, das Standesbewußtsein der Seminar- +teilnehmer abzuschwächen - abklingen zu lassen - , jedem +die Möglichkeit zu geben, . hier seine Initiative anzuldindi; +dem deutschen Professor und dem Zuckerbäcker—äohn ausS - +Talaya, dem Ministerialrat aus Chile und dem Gewerkschaft: +ler - und dem Hippy. - Was das geheißen hat, ist, daß die +Leute sich um den Seminartisch heäéum als Menschen ange- +gprochen haben, ganz bewußt, daß gie hier, wie in einem +Elfenbeinturm als komische Vögel für einige Wochen +zugammenkommen, Aber das hat auch - klingt beinah komisch +Schule mgemacht, Im Laufe der letzten Jahre bin ich hier +und dort eingeladen gewesen, von Singapour nach Tübingen +und habe dieselbr Atmosphäre bei ehemaligen Teilnehnern +an CIDOC-Seminaren dort wiedergefunden. Und fühle mich + +sehr wohl da," + +„!Das CIDOC war also so etwas wie eine Universität im + +Mittelalter?" e + +- WJa, aber Inquisition wurde immer sehr weit.weppehalten +und verlacht, Ganz gleichpgültig ob sie Inquisition der + +Partei, des Statedepartmentan oder der Kirche war.'" +``` + +## Page 12 + +``` +Die Inquisition hat Illich nicht schrecken können, + +Als er die Missionare entzauberte- wie er sagßt - machtle +ihm der Vatikan den Prozeß. Er, der Prälat, sollte sich +vor der heiligen Inquisition verantworten., Illich lehute + +4 ; +das ab und verzichtgte auf seinen kirchlichen Status,. + +Diese Passions-Prozession illustriert, was er meint, + +wenn er die lateinamerikanische Kirche entkolonisieren WL + +Missionare machten aus Indianern römische Legionäre - + +aus ihren Kindern weiße Engelchen, + +' + +Die Missionare kamen einst, um diese Menschen zu gefügige + +Untertanen der spanischen Krone zu machen,. + +Illich zieht gegen den Dünkel zu Felde - gegen die +Anmaßung, andere nach den eigenen Vorstellungen entwickel +zu wollen, sie zu zwingen, 80 zu werden, wie man 5scelbst + +ist - weil man sich für den Besten hält, + +Diesen Menschen ist die Entfaltungsmöglichkeit ihrer +eigenen Anlagen, ihrer Wünsche und ihrer Kultur brutal +genommen worden, Sie waren verurteilt, die Eroberer +nachzuahmen, um nicht als Wilde dazustehen,. +Erst mußten die Indianer gich ihrer Kultur schämen + +\ +und sich anpassen, Nun gelten sie ihrer Armut wegen + +als minderwertig. Eine Armut aber, die sie der Zerstüörung + +ihrer Kultur verdanken, + +r + +Daß diese Menschen nicht des sogenannten Fortschritls +bedurften, der ihnen moderno Armut bescherte,’ beweist + +ihre Vergangenheit +``` + +## Page 13 + +``` +Auch über indianische Geschichte wurden im CIDOC Studien +vorpgelegt, ja sogar über die sePorisohen Fähigkeiten +gewisser Menschen uünd ihre Bedeutung in den verschiedener +Kulturkreisen., Die Vorahnung gehört zum Studicnbereich +eines gebürtigen Mailänders, + +„UHerr Professor Tibon, würden Sie sagen, daß Menschen wi +Ivan Illich eine prophetische Ader haben, daß sie zum +Beispiel voraussehen können, wohin diese Gesellschaft gel +- "Diesen Eindruck habe ich seit vielen Jahren, denn seit +vielen Jahren lebe ich wie Ivan Illich in Cuernavaca, und +ich habe das Gefühl, daß Ivan Illich ein Prophet ist, daf +er die Gabe hat, wirtschaftliche, geistige, politische +Phänomene vorzuahnen - eine Vorahnung zu haben, von den +was die Welt gegen Ende dieses Jahrhunderts sein wird, + +Also ich glaube, im Falle von Ivan I1llich, kann man von + +Vorahnung sprechen." + +Illich sagt beispielweise eine verhängnisvolle Verarztumn({ +unserer Gesellschaft vorau8s. + +Und er kommentiert für uns einige seiner Beobachtungen: + +„l Der Gesundheitsminister von Kanada hat vor zirka + +1 1/2 Jahren ein ganz ausgezeichnetes Dokument heraus- + +gegeben. In diesem‘Dokumcnt weist er nach: ganz gleich- +gültig, wieviel mehr oder wieviel weniger wir ausgeben, + +ganz gleichgültig, welche Methoden der medizinischen + +;r +``` + +## Page 14 + +``` +Betreuung wir anwenden, die Gesundheit wird dadurch +nicht . beeinflußt, + +- "ffie mißt man denn 50 etwas?' + +/ +- "Man berechnet mehr oder weniger willkürlich, daß + +die Lebensdauer eines Einjährigen in einem gewisssen +Land normaler Weise 70 Jahre sein 80ll und fragt sich +dann: Jer stirbt, bevor er 70 Jahre erreicht hat, und +wieviele und aus welchen Gründen werden Lcbensjahre + +verloren. + +25% der frühzeitig verlorenen Lebensjähre sind dem +Autounglück zuzuschreiben. - 2'% dem Herzanfall oder +dem Gehirnschlag. 23% - dag macht schon 3/lh der fürhese +verlorenen Jahre aus - anderen Unfällen, hauptsächlich +Industrieunfällen, 17% Krebs und Lungenkfankheiten + +Und 8% Mord 3% Selbstmord. + +Nun - Autounglück, Industräeunfall, Mord und Selbsrbhort +slnd bestimfit nichts, worauf der Doktor überhaupt einer +Finfluß haben kann. Und Lumgenkrebs aund andere Lungen- +krankheüten —- heutzutage - ebenso wie der Herzanfall —> +sind der allgemeinen LebensTührung zuzuschreiben, und +eigentlich völlig unabhängig vom dem, was cin Arzl + +für dich tun kann,. + +Nun Lalonde ist ausgegangen von der Idee, daß die +Kanadier begreifen müssen, daß eine Verbesserung der +Gesgundheit nur dadurch erreicht werden kann, daß ander«c +Lebensgewohnheiten eingeführt werden, Und ein Schritt +dazu wäre, die Änzte auf die Krankenpflege zurückzudräı +und Kesundheitspflege als eän anderes politische5 Frehl +aufzufassen. + +Was nun Lalonde passiert ist, = ist - daß während die +Ärzte lernen mußten, sich darauf zu beschränken, sich +mit den Kranken zu befaesenm, eine ganze Reihe von neue? +Berufszweigen sich entwickelt haben 1im Laufo von nur 1 +Jahren, die sich mit der Gesunderhaltung der Kanadier +befassen, anstatt diese Aufpabe dem einzelnen Kanadiier + +@n Secelbatverwaltung - autonom - übernehmen zu lassen, +``` + +## Page 15 + +``` +Laut Illich zwingt die Bürokratie des Gesundheitgswesens +den Menschen in die passive Rolle des Komsumenten +medizinischer Versorgung. Die totale InstitutionaAlisierunf +von Gesundheits- und Krankenpflege schwäche die Anpassung! +und Widerstandfähigkeit des Menschen erheblich, was +sowohl seine Gesundheit beeinträchtigt, als auch seine +Bereitschaft lähmt, auf die ihn krankmachende Umwelt +einzuwirken, Sich zur Wehr zu setzen. + +Die Medizinsuéht ist nur ein Ausdruck des totalitären +Anspruchs der In Adustriegesellschaft, den Menschen vom +Handelnden zum Behandelten zu machen, + +Ein fremdverwaltetes Leben vom Mutterleib bis zum Grab, + +An Hand medizinischer Fachzeitschriften beweist 1I1lich +die Hilflosigkeit des Arztes, wenn er teuer wird - und +der Medizin, wenn sie kompliziert wird, Letztlich profitiı +die Industrie weit;mehr vom Fortschritt der Hedizin 215 +der HMensch, Einfache Mittel wie Seife und allgemeine +Hygiene habem mehr zur Bekämpfung der Seuchen beißetragen + +als die Wunder der Hedizine + +Illich warnt eindringlich vor dem Mißbrauch moderner +Nedikamente‘ünd Chemikalien. +„"Ych komme gerade aus Pakistan zurück,. Pakistan hat 197 +der Welt verkündet, daß dank der Mithilfe der Weolt- +gesundheitsorganisation, die Malaria endgültig beéiegt +war. - Weniger als 140 000 Malariafälle in eihem Volk + +von 60 Millionen in einem Jahr,' +``` + +## Page 16 + +``` +1975 mußte Pakistan leider mittoilén, daß auf 60 +Millionen Einwohner, 10 Millionen neue Fälle von Malsri +berichtet wurden, In einenm Jahr, Daß das Mockito, das d +neuc Malaria verbreitet, widerstandsfähig ist gepen aAll +jenec Insektizide, die entweder billig genug sind, um +brauchbar zu secin, oder nicht wrenigerx giftiger cind +für den Menschen, als für das Moskito, Und daß® dan neuı +Plasmodium, den jetzt pgehräuchlichen Antimalarinmittel) +‚ +Widerstand entwicjjelt hat, Und das Ärgste ist: aus +Pakigtan kommt jetzt eine neuc Malaria nach Kurvva, +gerade wenn die Europäer mit ihren Kernkraftwerken die +Flüsse auf jene Temperatur anheizen, in denen die + +Mallayiamoskitos am lLichbsten ihr Iiecebesleben treiben" + +- "Ich habe noch Kigenartigeren dazu Zzu sapen, Bin +Toilnchmcr'me}gs Seminars war ein Veterinär aus Cuern: +vaca, Als er sah, daß mein Hund krank war, gchrich er +Erotromicin vor., Ich war sltandilisiert, Nicht wepen de +Preises in erster Linie, - In erster Linie, weil wir +ja doch dafür sorgen wollen, daß Antibiotika nicht + +' erantvortungslos angewendet. werden, + +araufhin. sagte er mir:' die Hunde sind heute /: alde +on Bakterien infiziert, die dem normalen AÄntibiotik;z +egenüber schon Widerstand entwickelt haben, Um meine +hese für die Fakultät zu schreiben, habe ich Z0 herre: +oße Hun.de in Yuernavaca gefangen, und Ai2s Abzecne An +hrer Prostata auf widerständsfähige Bakterien un%lersu, +nd herausgefunden, dA:% fa alle Abzesse von Blıkeorie +tammecn, die gegen Peninzillin und Teramizin schon +iderstandsfähig sind, + +a saß ich: Herr Dokltor, herrenlosen Hunden gibt doch +Lemand Medizin cin, + +agl er: nein, aber sie fressen Knochen, und die Baueoer +njizicren ihren Kühlhn große Quantitäten von Antibiot +m ihnen kün stlich einige Dutzend Kilo Fleisch anwauct + +ü lassen, + +Aber daraus muß man doch schließen, daß uns genau dar + +leiche passicrt, wie den herronlasen Hunden, + +- W Soviel ich weiß, ist in Doutschland die Kontrollı + +s Fleinches auf Antibiotlika weitaus weniger sirengt + +L5 in Kanada oder in den Vercinigten Stauten, + +Seit 197l hat sich das goändert. +``` + +## Page 17 + +``` +D + +» + +a ++ gesapt, was an aem JLEICH £o unertröglich ist, da or +chts8 z„itiert, was meine Leser nicht schon secit + +hren aus meiner Zecitschrift; wissen sollten, + +h hab's halt in die Perspektive des laien mestelil — +frerufen zur Technokritik: + +:{ + +konnen es unsi einfach nicht mehr lcinten, Tach- +J + +s55SseNschaftlern die Gesamtbeurteilung ihres Beitraunern + +r GenelLllschaft zu überlansen,. +"Sandern?" + +"Das ist eine Aufpabe, die der Mann auf der Stxaße +ernehmen muß, und deshalb ist cs weit wichtigßer,; +dermann dafür verantwortlich zu machen, was die Ar +r ihn tun, und das nicht irgendwelchen Spezinlisler + +üborlansen. + +Ia, auf dem Gebiet der Gesundheit geht das noch, =b + +‚uf dem Gebiet der Beschleunigung geht en Bopdr LO +‚ er. Wenn sich die Leute in Hamburg nur 8o vermnin +mmengetzen würden, wie die Nachb arn in diesenm Do +Büch fragen würden:! welchen Vorteil haben wir von +hleunigung der Verkehrsmittel? Und zum Schlufß ko: +ichrwir die Verkechrasmittel beschleunigen, umgso mol +den seines Lebens muß der Durchachnittsbülrper In + +5st, in der Si}laverei des Verkehrs verbringen, " + +a, aber dann wird man mit der Antowort kommen, * + +tes der gesamten deutschen Wirtschaft vom Auta ! + +' +nd daß zirka 30% der Lebenszeit eines Durchnehn’ +‚ ers in der Sklaverei des Autos verbraucht qird. +uen Sie - wir haben jöézt mit mehreren großen & +Koewiesen, was wir vorher nur o ungefähr andeaut +ten: Bis 1850 pgab es keine Gesellschaft, in dr +. als 5% der Lebenszeit den typischen Mitglieds +er Gesellschaft auf Reisen außerhalb seiner De‘ +en_Aet wurde., - In Deutschland heute, gehen Z + +der Loebenszeit auf: im Auto sitzen, im Auto f: +``` + +## Page 18 + +``` +aufs Auto warten, um die Steuern Zu zahlen fuüur die üir +die Vcrsicherünge für die Gesundheit, den Verkehrsyol.i- +zinten, + +30% - also zirka scechs Mal sovicl Zeit als der typischk + +Mensich aller verganpgenen Kulturen, + +M ' +Das Iustige ist, daß der typische Bürgßer Deutschland n +sechs H_al soviele Kilometer zurücklegt wie der Meniko +in Chapas, sondern nur 5 Mal soviel, Pro Stunde iw MMiei +des Verkehrs ist also seine Leistung in Kilometern + +abgesunken., - Das nennt man Fortschritt, + +„"ABer man wird Dir gleich wieder sagen: wie 50Ll mun +die gesamte Wirtschaft umstrukturieren, um überhaupt + +lebensfähig zu bleiben. + +- "Das weiß ich nicht, Ich glaubo nur, daß ich nachw? +kann, daß wir auf diesem Weg zu eciner vollständipen +Lähmung der Gesellschaft durch Beschleunigung, Erkr. ul +der Gesellschaft durch medizinincheo Leistung, Verdunnu, +der Gegellschaft durch intensive Programmierung vml + +Erzichung kornmen werden. + +„"Das CIDOC macht zu - werden Sie Jjetzt auf Wander- + +schaft gehen?" + +- V"Sie meinen, daß ich zum Wanderprediger avancier(! +odar degradiert worden bin, Keine Angst, Ich habe rmein +Freunde hier., Ich kann weiterhin die Sprachgschule in +Cuernavaca dazu benutzen, im Januar, im Juli und +August kleine Grupprn um mich zu organisieren, Ich bin +natürlich viel freier als früher, und ich kanmn mich +jetzt, mit 49 Jahren, auf ein paar Jahre daran machen, +ernsthaft zu studieren, 50 ernst, wie man aM halt 71© +20 oder 25 Bßgearbeitet hat, wenn man sich in ein Gebie + +hineinarbeiten wollte,. + +- VSie haben nicht gerade eine Kampagne vor?" + +- VFreunde, und Kreise von Freunden, die sich hier +gebildet haben sind hart an der Arbeit, Architektur, +Medienwesen und die anderen industriellen Institutione + +die Nutzwertschaffung unmöglich machen, zu analysieren +8 BAgeN mfiß*rn +-UWYonn Sio einem breiten FPxhokum Publ).lc*arfl‚g Wuylener der + +Kornpunkt ihrer Tdeen Beif, wie würden Sle das fovruli, +``` + +## Page 19 + +``` +. Begrenzung der industriellen Produktionnweise, Wenn | + +iLese Produktionsweine Nutzwertschaffung im Wege stcht," +. $" [ + +' / +AWas nennen Sie Mutzwertschaffung?" +"Tm Sinne vom ersten Kapitel des Kapital." + +MDarunter kann sich ein breites Publikum nichtes + +rorstellen." + +; Venn eine Stanl; um Autos und Motaoren pmebaut wird, dann +/‚erden dc? Lecuten, die in der Stadt leben, die Eeine +bgeschnitten., Und die Produktion von Verkehrsweßpen +;schafft Distanzen, die weit größer sind, als die für +lie meisten durch Motaren ühberhriückt werden können, {& +Jenn eine Welt sich um die Medijzin herum kristallisier +ınd Gegundheit HMedizinkonsun ist, dann wird Gesunderhal- + +zung unmöglich gemacht, +``` + |